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Was blüht uns Anfang Juli?

Die Esskastanie (Castanea sativa Mill.)

Seit etwa 500 n.Chr. wurde die Esskastanie verbreitet kultiviert, denn sie lieferte den Menschen Nahrung und dem Vieh Futter, dazu Bauholz und Stockausschläge für Weinbergpfähle, Bienentracht, Stallstreu und Heilmittel.

Bevor die Kartoffel kam, war die Esskastanie in den wärmeren Gegenden Deutschlands, dem Rheintal und seinen Nebentälern, insbesondere im Taunus und an den Rändern des Pfälzer Walds das Grundnahrungsmittel des armen Mannes: ein Baum pro Person und Winter.

Die Esskastanie wurde in beweideten Hainen mit breitflächiger Krone angebaut, ähnlich dem Lebensraum ‚Streuobstwiese’ – oder in lichten Laubwäldern mit hohem Stamm und schmaler Krone. Mit der Eröffnung der Gotthardtbahn 1882 und den preiswerten und qualitativ guten Importen aus Italien war mangels Wirtschaftlichkeit das Ende der Esskastanie besiegelt.

Vom Grundnahrungsmittel des armen Mannes zur modischen Delikatesse
Aus kulturhistorischen und touristischen Gründen werden Relikte von wenigen Hektaren Fläche auch heute gepflegt. Ob die Esskastanie als Wertholz im Forstbetrieb Zukunft hat, wird derzeit geprüft, denn gefährliche Epidemien wie Rindenkrebs und Tintenkrankheit wanderten ein.

Die Früchte, auch als Keste oder Maronen bekannt, sind stärkereich und zeichnen sich durch hohe Anteile essentieller Fettsäuren und Kalium aus. Aus 3 kg trockener Früchte lässt sich 1 kg Mehl herstellen, welches glutenfrei ist und von Zöliakie-Patienten als Getreide-Ersatz verwendet wird. Maronen haben einen zart süßen, nussigen, etwas mehligen Geschmack. Weiter kann man in der Nähe von Esskastanien oft Speisepilze finden zu denen Mykorrhiza-Symbiosen bestehen. Der schwarze Honig ist von hoher Qualität. Traditionell ist die Schweinemast mit Esskastanien im Mittelmeergebiet.

Der Bedarf an Esskastanien wird heute aus Importen gedeckt, derzeit etwa 50% aus Italien und 30% aus Frankreich. Für die rund 900 Sorten – ähnlich den Apfelsorten – gibt es nicht einmal eine EU-Marktregelung. Die „Keste“ ist modische Delikatesse in Feinschmeckerlokalen oder kulturhistorische Leckerei bei Weinfesten. Wegen der Standzeit von 200 – 400 Jahren finden sich einzelne Baumgruppen noch verstreut im ehemaligen Verbreitungsgebiet. Die Haine als uralte Kulturlandschaftsform gehören der Vergangenheit an, nur Flurnamen blieben.

Ältestes Exemplar ist 2000 Jahre alt
Die Edelkastanie oder Esskastanie aus der Pflanzenfamilie der Buchengewächse ist die einzige Castanea-Art Europas. Das älteste Exemplar die „Kastanie der hundert Pferde“ mit einem Kronenumfang von 56 m und 5 Stämmen ist 2000 Jahren alt und steht am Ätna in Sizilien. Sonst werden die Bäume 20-25 m hoch und können 1-2 m Durchmesser erreichen. Ihre lanzettlichen Blätter sind ledrig, gezähnt, oberseits glänzend und unterseits heller.

Die Blüten sind einhäusig entweder zweigeschlechtlich oder rein männlich. Die männlichen Blütenkätzchen bestehen aus köpfchenartigen Teilblütenständen, die perlschnurartig an einer langen Achse aufgereiht sind. Die zweigeschlechtlich Blüten enthalten am Grunde des Kätzchens drei weibliche Blüten umgeben von einer schuppigen Scheide, die zum Fruchtbecher (Cupula) wird. Die Esskastanie blüht ab Juni und ist sowohl wind- als auch insektenbestäubt. Selbstbestäubung wird durch Proterandrie, dem Öffnen der männlichen vor der weiblichen Blüte vorgebeugt.

Die glänzend dunkelbraunen Kastanien sind von einer intensiv bestachelten Cupula umgeben und entlassen 1 bis 3 Früchte mit glattem, ledrigem, homogen braunem oder gestreiftem Perikarp. Die Fruktifizierung beginnt ab 15 bis 20 Jahren. Verbreitet werden sie durch Vögel und Nager.

Holz für Weinfässer von bester Qualität
Das mittelschwere Holz mit weißlich gelbem Splint und braunem Kern besitzt einen hohen Tanningehalt, der bis 13 % des Trockengewichts beträgt. Dadurch ist das Material witterungs- und fäulnisbeständig und auch für Wasserbau geeignet. Das Holz lieferte die haltbarsten und besten Weinfässer.

Die Esskastanie ist eine anspruchsvolle Lichtbaumart, die an das Weinbauklima angepasst und empfindlich gegen Spätfröste ist. Sie bevorzugt saure, frische, lockere und tiefgründige Böden. Der Esskastanienbohrer frisst das Innere der Früchte und damit erlangt damit wirtschaftliche Bedeutung.

R. Gliniars, R. Bäßler & A. M. Steiner, veröffentlicht am: 11.7.2014


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