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Was blüht uns Anfang Juli?

Die Maulbeere (Morus L.)

Maulbeerbäume sind nicht nur edle Zierbäume mit schmackhaften Früchten. Ihr gelbliches Holz ist sehr wertvoll, und seit über 4000 Jahren werden sie in China zur Seidenproduktion angepflanzt. Nur wenige kleine Bäume nehmen einen so knorrigen und urigen Habitus ein.

In den gemäßigten bis subtropischen Regionen der Nordhalbkugel mit Ausnahme von Europa wachsen zwölf Arten an Maulbeerbäumen. Die drei Bekanntesten sind der weiße Maulbeerbaum (M. alba) aus China, der schwarze Maulbeerbaum (M. nigra) aus Westasien und der rote Maulbeerbaum (M. rubra) aus dem östlichen Nordamerika. Sie stellen keine besonderen Ansprüche an Klima und Böden und halten Temperaturen bis -20°C aus. Nur bei sommerlicher Trockenheit wird kräftiges Wässern empfohlen.

Fast alle Mitglieder der Familie der Maulbeergewächse, zu denen auch die Feigen gehören, enthalten weißen Milchsaft. Die Maulbeeren sind sommergrüne, bis 15 Meter hohe Sträucher und Bäume und können bis zu 300 Jahre alt werden. Eine Ausnahme ist der tausendjährige Maulbeerbaum in der Benediktinerabtei Brauweiler, der im Jahr 1024 gepflanzt wurde.

Ein Schleudermechanismus mit halber Schallgeschwindigkeit
Die windbestäubten Blüten der Maulbeeren erscheinen im Mai und sind getrenntgeschlechtlich einhäusig, gelegentlich zweihäusig verteilt. Die männlichen Infloreszenzen sind lockere Kätzchen, die Einzelblüten mit je vier Staubblättern besitzen. Durch einen Schleudermechanismus werden die Pollen mit halber Schallgeschwindigkeit entlassen, die schnellste bislang in der Biologie beobachtete Bewegung.

Die weiblichen Blüten besitzen einen oberständigen Fruchtknoten mit zwei Fruchtblättern und vier unscheinbaren Blütenblättern. Nach Befruchtung werden diese Blütenblätter fleischig und umwallen den nussigen Samen. Die Einzelfrüchte sehen im Verband aus wie Brombeeren, die allerdings nur aus einer Blüte entstehen. Die Fruchtverbände sind entweder gelblich-weiß (M. alba) oder aufgrund des Anthocyangehalts schwarz-rot (M. nigra) gefärbt.

Antike Götterfrucht, Symbol für Klugheit und Futter für Seidenraupen
Der Schwarze Maulbeerbaum hat im Gegensatz zum weißen oberseits extrem raue Blätter. Die Blattform ist sehr variabel, von ganzrandig bis stark gelappt. Für die Griechen galt der späte Blattaustrieb, um den Spätfrösten zu entgehen, als ein Symbol von Klugheit. Darum waren Maulbeeren auch dem Gott Pan geweiht.

Die Blätter des weißen Maulbeerbaums sind das beliebteste Futter der Seidenraupen, des Seidenspinners Bombyx mori. Ein guter Ertrag sind 25 Tonnen frische Blätter pro Hektar, die ausreichen, um 500 kg Seidenraupenkokons zu erzeugen. Auch nach zweimaligem, vollständigem Entblättern treibt der Weiße Maulbeerbaum wieder aus.

Lange Zeit war Europa auf Seidenimporte aus Zentralasien über die Seidenstraße angewiesen. Griechen und Römer brachten die Bäume nach Mitteleuropa und durchbrachen das Seidenmonopol. Seither sind viele Versuche gescheitert, die Seidenraupenzucht in Mitteleuropa zu etablieren. In China und Japan dagegen sind bis zu 700 Sorten in Kultur.

Süßsäuerliche Früchte für Marmeladen, Weine oder Tee
Reife Maulbeeren schmecken dank Fruchtsäuren und Zucker angenehm süßsäuerlich. Sie lassen sich als Obst und zur Herstellung von Sirup und Marmeladen nutzen. Maulbeerwein ist seit Hildegard von Bingen als stärkende Arznei bekannt. Auch zum „Schönen“ von Wein wurden die Früchte genutzt. In Afghanistan trocknet und verzehrt man sie wie Rosinen.

Wirtschaftlich haben die Früchte bei uns keine Bedeutung, da die Fruchtverbände nach und nach und nicht gemeinsam reifen. Zudem verderben sie schnell und sind daher nicht transportierbar. Die Blätter werden auch in Form von Teeaufgüssen zur Behandlung von Blasen- und Harnwegsentzündungen angewandt.

Ein hartes und leichtes Holz für Tischler- und Drechslerarbeiten
In Japan wird aus der Rinde der Maulbeerbäume auch Papier hergestellt, das allerdings mit dem berühmten Japanpapier aus der Rinde des verwandten Papiermaulbeerbaumes (Broussonetia papyrifera) nicht mithalten kann. Das gelbliche Holz ist hart, dennoch leicht und lässt sich gut polieren. Es eignet sich für Tischler- und Drechslerarbeiten.

Der Weiße Maulbeerbaum in der Laubbaumallee des Hohenheimer Schlossparks wurde Mitte des 19.Jahrhunderts gepflanzt und zeugt noch heute von einem Versuch, in Hohenheim eine Seidenraupenzucht aufzubauen. Er ist das Relikt einer Maulbeerhecke, die einst entlang der Ost-West-Achse vor dem Schloss gepflanzt war. Eine jüngere Maulbeerhecke findet sich heute an der Westseite des Schlossparks.

R. Gliniars, R. Bäßler, A. M. Steiner, veröffentlicht am: 15.7.2015


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