Essays about plants in the Hohenheim Gardens
Was blüht uns Ende Januar?
Von Stockausschlägen und Zitternden Riesen...
Bringen Stockausschläge Riesen zum Zittern?
Nicht ganz! Durch Stock- und Wurzelausschläge können Bäume in der Natur selbst nach schweren Waldbränden wiederaustreiben, ihr Überleben an einem Standort für Jahrtausende sichern und sich zu Riesenorganismen entwickeln. In der Niederwaldwirtschaft wurde das Phänomen des Neuaustriebes von Bäumen nach zyklischer Fällung alle 10 bis 30 Jahre genutzt.
Stockausschläge bilden sich an den Knospen der Stümpfe (Stock) gefällter Bäume oder Sträucher. Die neugebildeten Seitensprosse erwachsen dann aus Adventivknospen oder schlafenden Augen. Das Fällen von Bäumen führt also nicht zu deren Verschwinden, sondern im Gegenteil zu einem vielfachen Wiedererscheinen. Treten die Neubildungen an Adventivknospen der flachliegenden Wurzeln aus, so spricht man von Wurzelausschlag oder Wurzelbrut.
Schon Steinzeitmenschen profitierten von Brennholz
Im Niederwald nutzten die Menschen seit der Steinzeit diese Eigenschaften der Bäume, um nachhaltig Brennholz zu erzeugen. Erst im Laufe des 18. und 19.Jahrhunderts mit der verstärkten Förderung der Steinkohle und weil Holz aus Stockausschlag und Wurzelbrut minderwertige Stammqualität aufweist, wurde die Niederwaldwirtschaft eingestellt.
Baumarten zeigen verschieden starke Stockausschlagsfreudigkeit, was zur Änderung der Bestandszusammensetzung in Niederwäldern führte. Fast alle Straucharten und viele Laubbäume wie die Hainbuche, die Linde, die Weide und die Erle, als Nadelbaum die Eibe eignen sich für den Niederwald. Fichten, Eichen, Pappeln oder Birken zeigen sich nicht so austriebsfreudig.
Gewaltige Kolonien
Im Gegensatz zum vegetativen Stockausschlag vermehren sich Bäume generativ, deutlich langsamer, durch Samen. So entstandene Bäume werden als Kernwuchs bezeichnet und bilden die Hochwälder. Ein Mittelwald enthält Kernwuchs im Oberholz und Stockausschlag sowie Wurzelbrut im Unterholz. Viele mitteleuropäische Eichen-Hainbuchenwälder sind auf Mittelwaldwirtschaft zurückzuführen, so auch der an Plieningen grenzende Häslach-Wald. In Deutschland ist heute nur noch weniger als 1% der Waldfläche Nieder- bzw. Mittelwald.
Durch Stockausschlag und Wurzelbrut können im Laufe von Jahrtausenden gewaltige Kolonien eines Baumes mit Einzelstämmen von identischem Erbgut aus mächtigen Wurzelstöcken heranwachsen. Während einzelne Baumstämme absterben und neue hinzukommen, besteht die Kolonie als Ganzes unterirdisch fort. Die mächtigste Kolonie mit 47000 Stämmen ist „Pando“ oder auch „The Trembling Giant“, zu deutsch „der Zitternde Riese“ genannt, ein Klon einer männlichen Zitterpappel (
Populus tremuloides L.) aus Utah. Die Wurzeln dieses Klons erstrecken sich auf 43 ha, er wird auf 6600 Tonnen Gewicht und auf 80000 Jahre Alter geschätzt. Der Zitternde Riese wäre damit einer der ältesten und größten Organismen der Erde.
Auch andere Gehölzen wie der Kreosotbusch (
Larrea tridentata) aus der Mojave Wüste in Kalifornien geschätzt auf 11700 Jahre oder die schwedischen Methusalem-Fichte „Old Tjikko“ bilden klonale Kolonien hohen Alters. Holz- und Zapfenüberreste gefunden neben dem lebenden Stamm der Methusalem-Fichte mit identischem Erbgut wurden auf 9550 Jahre datiert.
Auch von unseren heimischen Linden müssten wegen der Stockausschläge viele 1000 jährige existieren. Den Altersrekord für einen nicht-klonalen Baum hält die Langlebige Kiefer (
Pinus longaeva) aus dem Südwesten der USA mit ca. 4500 Jahren.R. Gliniars, R. Bäßler & A. M. Steiner, veröffentlicht am: 28.1.2015
Einige Bildimpressionen