Die moderne Systematik ist ein Teilgebiet der Biologie. Sie versucht, die natürlichen Verwandtschaftsverhältnisse der Lebewesen abbzubilden und die Prozesse zu erkennen, die zu der Vielfalt geführt haben, die wir heute vorfinden. Damit sind auch die Benennung der Lebewesen (Nomenklatur), die Einteilung der Lebewesen (Taxonomie) und natürlich deren Identifizierung (Bestimmung) eingeschlossen.
Arten werden allgemein als Population von Organismen verstanden, deren Indiviuen auf einen gemeinsamen Vorfahren zurückgehen. Für die Abgrenzung werden meist morphologische Merkmale verwendet, die auch eine Anwendung im Freiland möglich machen. Diese Merkmale, z.B. Blattlänge, Fruchtgröße, Blütenzusammensetzung oder Blütenfarbe sollten eine Unterscheidung der Mitglieder zweier Populationen möglich machen. Diese sogenannte phänotypische Betrachtung wird seit ca. den 60er Jahren ergänzt durch Merkmale der Proteine, der sekundären Inhaltsstoffe und seit einigen JAhren der genetischen Merkmale. Für die Beschreibung und Abgrenzung von Arten werden aber nach wie vor Herbarbelege zugrunde gelegt, da diese lang lagerbar sind, somit auch eine nachträgliche Bearbeitung möglich machen.
Herbarien, unverzichtbare Instrumente der Botanik
Die Beschreibung einer neuen Art nimmt der Bearbeiter an einer gepressten und getrockneten Pflanze vor, an der die für eine Diagnose wichtigen Merkmale möglichst objektiv beschrieben werden. Für diesen Originalbeleg, den "Holotypus" existieren meist Duplikate in anderen Herbarien, die derselben Sammlung angehören. Damit wird sichergestellt, dass auch bei einem Verlust des Materials noch "Isotypen" in anderen Herbarien existieren. Für die Beschreibung oder wissenschaftliche Bearbeitung von größeren Pflanzengruppen steht den Bearbeitern oft nur in den Herbarien, über Jahrhunderte gesammeltes, Vergleichsmaterials zur Verfügung. Herbarien sind damit unverzichtbare Sammlungen für die Botanik. Das Gleiche gilt selbstverständlich auch für zoologische Sammlungen.
Systematische Forschung - das Fischen im Trüben der Jahrmillionen
Pflanzen, die wir heute vorfinden, sind aus anderen Pflanzen hervorgegangen. Dieser Vorgang wiederholt sich seit Jahrmillionen und führt durch Aussterben, Veränderung, Wanderung und durch Anpassung unweigerlich dazu, dass die Vorfahren unserer heute zu findenden Pflanzen anders ausgesehen haben, oder sich anders fortgepflanzt haben oder nur andere Früchte hatten. Die Herausforderung für moderne Systematiker ist nun, aus dem aktuellen Pflanzenbestand Rückschlüsse auf mögliche Veränderungen in der fernen Vergangenheit zu finden. Durch die Analyse der genetischen Ausstattung der Pflanzen und die Nutzung moderner Computerverfahren kommen immer wieder neue Erkenntnisse zustande. Diese auch in den lebenden Sammlungen von Botanischen Gärten umzusetzen, ist eine stetige Ausgabe der Gärten.
Für die Benennung von Pflanzen existieren formale Regeln, die regelmäßig überarbeitet werden: der "International Code of Botanical Nomenklature". Oft werden die Begriffe Taxonomie und Systematik auch als gleichbedeutend betrachtet, da sich die Analyse der Merkmale und die formalen Aspekte der Nutzung dieser Merkmale für die Benennung gegenseitig bedingen. Eine klare Abgrenzung ist oft nicht möglich.
Taxon - ein äußerst abstrakter Begriff
Jede systematische Gruppe wird unabhängig von ihrer Rangstufe allgemein als Taxon (Plural: Taxa) bezeichnet (Strasburger, Lehrbuch der Botanik, 36. Auflage, 2008). Das heisst, daß eine Art ein Taxon ist, aber auch eine Familie, oder eine Unterart. Daher verwenden wir für Arten, Unterarten, Varietäten, Formen oder Kulturfomen auf unserer Internetseite meist den Begriff "Taxon".
Identifizierung - eine fast vergessene Kunst
Entscheidend für alle Forschung zur Systematik, Taxonomie und anderer Disziplinen ist die Identifizierung von Pflanzen. Hierfür werden Vergleiche mit Herbarbelegen, Bestimmungsbücher oder auch Bilderbücher verwendet. In Bestimmungsbüchern findet sich meistens ein sogenannter "dichotomer Schlüssel", eine Abfolge von Fragen, für die jeweils zwei verschiedene Antworten geboten werden. Die Fragen betreffen alle sichtbaren Merkmale der Pflanzen. Allerdings ist viel Übung notwendig, um mit Bestimmungsschlüsseln zum Ergebnis zu kommen. Diese Übung vermittelt zu bekommen, oder mit Muße, Ausdauer und eventuellen Fehlschlägen sich diese anzueignen ist ein wenig aus der Mode gekommen. Ohne eine genaue Identifizierung ist aber jegliche Forschung an Pflanzen potentiell fehlerträchtig.