Logo der Hohenheimer GärtenEssays about plants in the Hohenheim Gardens

Was blüht uns Ende Juni?

Der Milchorangenbaum (Maclura pomifera Nutt.)

Aus archöobotanischer Sicht betrachtet, ist der Milchorangenbaum bis heute ein Rätsel. Durch Pollenanalysen und Fossilienfunden ist bekannt, dass der Baum einst große Landstriche Nordamerikas besiedelte. Als die Europäer dort jedoch eintrafen, hatte sich das Verbreitungsgebiet des Baumes auf einen kleinen Streifen entlang des Red Rivers nahe dem Dreieck Texas, Oklahoma und Arkansas reduziert.

Leckerbissen für Riesenfaultier, Mastodon und Mammut
Die großen, bis zu einem Kilogramm schweren Früchte des Baumes fanden seit dem Aussterben der Megafauna wie dem Riesenfaultier, dem Mastodon und dem Mammut nach der letzten Eiszeit keine Adressaten mehr vor, um die Samen zu verbreiten. So fielen die Früchte seither neben die Stämme der Bäume und verrotteten.

Folglich verringerte sich das Vorkommen und Verbreitungsgebiet des Milchorangenbaumes. Der Baum ist also ein ökologischer Anachronist, angepasst an eine untergegangene Welt und die Geister der Evolution.

Natürlicher Stacheldraht
Erst seit der Eroberung Nordamerikas durch die europäischen Siedler werden Früchte und Samen wieder durch Pferde in den Prärien verbreitet. Während der Lewis-und-Clark-Expedition von 1804 bis 1806 konnte Meriwether Lewis – ein US-amerikanische Entdecker und Privatsekretär von US-Präsident Thomas Jefferson – Stecklingsmaterial des Milchorangenbaums verfügbar machen.

Der Mensch übernahm wie einst das Riesenfaultier die Rolle des Verbreiters und pflanzte Milchorangenbäume oft als Hecke. Durch die auffallende 1 bis 3 cm lange Bedornung des Stammes und der Äste stellen diese Hecken einen natürlichen Stacheldraht dar.

Der Osage-Dorn
Der wissenschaftliche Name der Gattung Maclura wurde zu Ehren des schottischen Geologen William Maclure vergeben, der die erste farbige, geologische Karte der USA 1809 erstellte. Weltweit gibt es 12 Maclura-Arten in Amerika, Asien und Afrika.

Im deutschen nennt man den Milchorangenbaum auch ‚Osage-Dorn’, im englischen ‚Osage-orange’ nach dem Indianerstamm der Osage, in deren Siedlungsgebiet der Baum auftrat.

Ein orangenähnliches Maulbeergewächs
Der Milchorangenbaum ist ein sommergrüner, bis 15 Meter hoher Baum mit dunkelbrauner, rissiger Borke. Der Stamm ist meist krummschäftig und gründet auf Tiefwurzeln. Die Blüten sind getrenntgeschlechtlich und zweihäusig verteilt.

Die Blütezeit beginnt nach der Laubbildung und dauert von April bis Juni. Mit 12 bis 15 Jahren bilden die windbestäubten, weiblichen Bäume Sammelfrüchte aus einsamigen Steinfrüchten, die einer grünen Orange ähneln.

Diese erreichen Durchmesser von 7 bis 15 cm und reifen zwischen September und Oktober. Sie enthalten, wie es bei Maulbeergewächsen üblich ist, einen bitteren Milchsaft.

Das schädlingsresistenteste und witterungsbeständigste Holz Nordamerikas
Die zart nach Orange duftenden Früchte enthalten Pomiferin, ein Isoflavon, das eine stark antioxidative Wirkung besitzt und gegen Gefäßkrankheiten, Entzündungen, Alterserscheinungen und Übergewicht wirken soll.

Das Holz des Milchorangenbaumes galt als das „Bogenholz“. Die in dem reduzierten Verbreitungsgebiet ansässigen Indianerstämme kamen zu großem Reichtum, denn sie besaßen das Monopol auf den wertvollen Rohstoff. Heute verwendet man das Holz für Pfosten und Zaunpfähle.

Es widersteht Termiten, Krankheiten, Trockenheit und Hagel und gilt als das schädlingsresistenteste und witterungsbeständigste in ganz Nordamerika. Ferner enthält es antifungielle Inhaltsstoffe und ein ungiftiges Antibiotikum, nutzbar zum Erhalt von Lebensmitteln. Aus der Wurzelrinde gewinnt man gelben Farbstoff zum Färben von Textilien.

R. Gliniars, R. Bäßler & A. M. Steiner, veröffentlicht am: 26.6.2014


Einige Bildimpressionen