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Was blüht uns Ende Dezember?

Die Weißbeerige Mistel (Viscum album L.)

Die Weißbeerige Mistel ist ein faszinierendes Gehölz. Ihre grünen Zweige und Blätter auf den laublosen Silhouetten der Bäume inmitten der winterlichen Ruhe lassen sie so interessant erscheinen. Als Halbschmarotzer ist die Mistel fest mit dem Holz ihres Wirts verwachsen und entzieht ihm Wasser und Nährstoffe. Sie macht selbst Photosynthese mit ihren Stängeln und ganzrandigen, immergrünen Blättern, die nicht in Ober- und Unterseite gegliedert sind.

Die Mistel verzweigt sich beim Wachsen jedes Jahr einmal, sodass man an der Zahl der Gabelungen ihr Alter ablesen kann. Wenn eine Mistel im Sturm abgerissen wird, stirbt sie nicht ab, sondern wächst aus ihrem Stumpf nach. So soll es 400 Jahre alte Misteln geben.

Von Miraculix bis Hildegard von Bingen
Adventszeit ist Mistelzeit, und für Christen wurde die Mistel zum Symbol des Friedens, der Liebe und, weil immer grün, des ewigen Lebens. Doch die Bräuche, die sich um die Mistel ranken, sind zutiefst heidnisch und reichen weit vor Christi Geburt zurück.

Bereits in der Mythologie des Altertums stößt man auf die Mistel. So wurde sie von gallischen Druiden als magische Pflanze mit Zauberkräften verwendet, „Asterix“- Lesern sollte dies bekannt sein. Sie soll für Gesundheit sorgen und die Fruchtbarkeit fördern, Wohlergehen schenken und die Liebe erhalten. Des Weiteren wurde sie zum Schutz vor Hexen und bösen Geistern, vor Blitz- und Hagelschlag sowie vor Feuer gebraucht. Außerdem steht die Mistel seit jeher für Glück, Versöhnung und Frieden. Um besonders viel Glück zu haben, verschenkten die alten Römer zum neuen Jahr Mistelzweige.

Auch Hildegard von Bingen war von der vielseitigen Heilkraft der Mistel überzeugt, weshalb sie die Pflanze bei Lebererkrankungen empfahl. Heute werden Mistelpräparate zur Senkung des Blutdrucks oder in der begleitenden Behandlung von Krebs eingesetzt.

No mistletoe – no kissing
Um alles Unheil abzuhalten, so der Brauch, sollte man die Mistel stets so aufhängen, dass sie den Boden nicht berührt, vornehmlich über Türen. Denn wo Menschen aus- und eingehen, kann auch das Glück oder Unglück hereinkommen.

„No mistletoe, no luck“ – keine Mistel, kein Glück – lautet auch ein englisches Sprichwort. Besonders glücklich schätzen konnten sich offenbar die Menschen Anfang des 18. Jahrhunderts in England und Frankreich. Denn damals entstand der heute weit verbreitete Brauch: Mädchen unter Misteln darf man küssen. Nach jedem Kusstreffen, soll als Zeichen eine Beere der Mistel gepflückt werden, heißt es weiter. Erst, wenn der Zweig vollständig abgepflückt ist, ist die Küsserei vorbei.

Biologische Besonderheiten
Misteln sind männlich oder weiblich. Sie blühen Ende Februar bis April und locken durch Duft und Nektar Insekten zur Bestäubung an. Die weiblichen Pflanzen bilden bis zum Dezember erbsengroße, weiße, perlenartig schöne Scheinbeeren aus. Verbreitet wird die Mistel durch Vögel, die die Beeren fressen und deren Samen mit dem Kot ausscheiden oder beim Fressen die in den klebrigen Beeren enthaltenen Samen auf Ästen abstreifen.

Der Keimling bildet eine Haftscheibe, aus der sich ein keilförmiger Primärsenker entwickelt. Dieser wächst in das teilungsfähige Bildungsgewebe des Astes. Die Mistel wird dann vom Holz des wachsenden Astes umschlossen. Mit Bildung eines durchgehenden Wasserleitungssystems ist die Mistel am Wirtsast etabliert.

Die Laubholz-Mistel wächst bevorzugt auf Linden, Weiden oder Pappeln; Eichen, Ulmen oder Eschen werden seltener besiedelt. Zusätzlich gibt es Nadelholz-Misteln, die auf Kiefern oder Tannen wachsen. Geringer Mistelbewuchs stellt kein Problem für den Wirtsbaum da, erst bei stärkerem Befall, Trockenstress oder Nährstoffmangel wird der Entzug durch die Mistel bedeutsam.

R. Gliniars, R. Bäßler & A. M. Steiner, veröffentlicht am: 16.12.2013


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