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Was blüht uns im November?

Der Urwelt-Mammutbaum - Metasequoia glyptostroboides Hu & W. C. Cheng

Um die Mitte des letzten Jahrhunderts stand in Mittelchina in Ost-Sichuan an der Grenze zu West-Hubei ein Baum von gut 30 m Höhe, um den der Tempel Shui-Sha-Miao gebaut war. Von den Einwohnern wurde der Baum Shui-hsa genannt, übersetzt Wasserlärche oder Wassertanne.

Im Sommer 1944 besuchte Zhan Wang vom Zentralbüro für Forstforschung in Nanking den Baum und sammelte Zapfen und Laub. Da der Baum im Herbst sein Laub abwarf, nahm Wang an, dass es sich um Glyptostrobus handelt, das einzige laubwerfende Nadelgehölz Chinas.

Ein spektakulärer Fund
Nach Untersuchungen durch den Forstbotaniker Hsen-Hsu Hu (1894 - 1968) vom Fan Memorial Institut in Peking und des Taxonomen Wan Chun Cheng (1908 - 1987) von der Zentraluniversität, beides herausragende chinesische Botaniker, wurde 1946 eine kleine Veröffentlichung geschrieben und die Gattung Metasequoia vermutet. Cheng sammelte Material vom Baum und sandte es an Elmer Drew Merrill (1876 - 1956) vom Arnold Arboretum in Boston. Dieser finanzierte im September 1946 eine weitere Exkursion in das Gebiet Ost-Sichuan, West-Hubei und Nordwest-Hunan.

Schlussendlich beschrieben Hu und Cheng 1948 das Gehölz als Metasequoia glyptostroboides, bei uns Urwelt-Mammutbaum oder Chinesisches Rotholz genannt.

Zehn Metasequoia-Arten waren im Tertiär auf der Nordhalbkugel verbreitet, doch nur der Urwelt-Mammutbaum überlebte als lange unerkanntes „lebendes Fossil“. So nannte der Evolutionsbiologe Charles Darwin (1809-1882) solche Pflanzen oder Tiere, die sich vor ihrer Entdeckung über Jahrmillionen nicht verändert hatten. Der Fund des Urweltmammutbaums war so spektakulär, dass bis 1951 schon 125 und bis 1975 rund 800 Veröffentlichungen über ihn erschienen. Inzwischen ist die Baumart weltweit verbreitet.

Von China über Boston nach Hohenheim
Merrill hatte 1948 Samen erhalten und vielerorts verschickt - unter anderem auch an den Botanikprofessor Dr. Edgar Irmscher nach Hohenheim. Die ersten Hohenheimer Sämlinge konnten 1952 ausgepflanzt werden, der erste Steckling wurde 1953 angezogen. In Deutschland wurden 2010 an 3633 Standorten 8385 Exemplare gezählt.

Endemisch ist der Urwelt-Mammutbaum in einem kleinen Gebiet in China. Dort wächst er zwischen 750 und 1500 m unter warm-humiden Bedingungen oft an Fluss- und Bachufern. Im Winter erträgt er Temperaturen bis zu -20 °C, Spätfröste schaden ihm. Er toleriert keine Lichtkonkurrenz. In Kultur gedeiht er auch auf kälteren und trockeneren Standorten.

Sommergrün mit kupferbrauner Herbstfärbung
Der Urwelt-Mammutbaum ist ein sommergrüner, schnell wachsender Nadelbaum und wird bis zu 40 Meter hoch sowie bis zu 2 Meter dick. Im jungen Alter besitzt er eine rotbraune, in dünnen Platten abblätternde, faserige Borke. Ältere Stämme bilden eine graue oder graubraune Borke aus. Das Holz ist leicht, sehr widerstandsfähig und lässt sich gut bearbeiten.

Auffallend bei in Europa gepflanzten Bäumen sind die Stammkehlungen, in denen die Äste wie eingesteckt aussehen. Die gegenständig gestellten Zweige besitzen weiche Nadeln, die an Langtrieben schraubig und an Kurztrieben 2-reihig geordnet sind. Im Herbst färben sich die Nadeln attraktiv lachsrot bis kupferbraun.

Älter als der Mammutbaum
Die männlichen Pollenzapfen sind zahlreich und blühen von Februar bis März. Über den Wind bestäuben sie die 2,5 cm langen, kugligen Samenzapfen, die von November bis Dezember oben am Baum reifen. Das Tausendkorngewicht der Samen beträgt etwa 2,3 g.

Das griechische Wort ‚meta‘ = hinter und ‚sequoia‘ = Mammutbaum meint, dass die Gattung hinter der Gattung Sequoia steht, also älter ist.

R. Gliniars, R. Bäßler, A. M. Steiner, veröffentlicht am: 3.11.2017


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